Verschwundene BAUTEN
Ersatzpulverfabrik – Stahlwerkersiedlung
Autor : Peter Kastius
Im Verlauf des 1. Weltkrieges, der länger dauert als anfangs geglaubt, wird Stahl und das Schießpulver knapp. Die AEG als zweitgrößter Kriegslieferant beantragt am 31. Januar 1917 mit einer Zeichnung vom 16. Nov. 1916 den Bau von 30 Fabrikgebäuden als Ersatzpulverfabrik.
(siehe Zeichnung)
Bild 1. Die Zeichnung stellt nur ein Chema der Gebäudeanordung dar.
Am 2.Mai 1917 wird die Erlaubnis zur Errichtung einer Pulverfabrik zur Herstellung von Ammoniumnitrat und Ammoniaksalpertersprengstoff gegeben.Dazu wird eine Erlaubnisurkunde „Pulverfabrik“ übergeben. Das notwendige Baugelände hatte der Konzern bereits für den Bau eines zukünftigen Stahlwerkes erworben. Die Erlaubnis wurde mit einer Reihe von Auflagen bei der Errichtung verbunden, die hier kurz aufgeführt werden:
- Die inneren Wände und Decken sind glatt herzustellen damit Staubablagerungen vermieden werden.
- Die Fußböden sind fugenlos und fest herzustellen. In den Räumen mit Explosionsgefahr sind sie aus weichem Material anzufertigen oder mit Linoleum zu belegen.
- Fenster und Türen sind hinreichend groß herzustellen und müssen nach außen aufschlagen.
- Die Heizung darf nur mit Warmwasser oder Niederdruckdampfheizung mit zulässigen Temperaturreglern erfolgen.
- Blitzableiter sind vorschriftsmäßig zu installieren.
- Oberlicht und gute Durchlüftung sind zu garantieren.
- Die Pulvermagazine sind in zwei voneinander explosionssicheren getrennten Räumen zu teilen. Zu diesem Zweck ist eine weitere Trennwand derart auszuführen, dass zwischen beiden Wänden eine Sandschicht von 1 m Stärke erfolgen kann.
- Die Räume sind peinlichst sauber und frei von Staub zu halten.
- In den Räumen ist nur so viel Pulver zu lagern, wie zur Fortführung der Produktion notwendig ist.
- Fertige Fabrikate sind schnellstens aus den Räumen zu entfernen.
- Die Arbeiten sind sachkundig und streng zu überwachen.
- Bei den Arbeiten haben die Arbeiter Arbeitsanzüge zu tragen, die den ganzen Körper bedecken und stets sauber zu halten sind.
- Den Arbeitern sind geeignete Speise- Wasch-, Bade- und Umkleideräume und Abortanlagen sowie gesundes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen.
Die Außenwände und Zwischenwände der einzelnen Gebäude wurden als massive Ziegelwände errichtet. Die Dachkonstruktion war eine leichte mit Dachpappe versehene Holzkonstruktion, die mit Lichtfenstern versehen wurde.
Am 5. Mai 1918 ist die Pulverfabrik fertig gestellt. Die Kosten belaufen sich bis zu diesem Zeitpunkt auf 3 429 891 Reichsmark, stehen aber noch nicht endgültig fest. In einem Schreiben an den Kreisausschuss Osthavelland vom 16. November 2018 durch den Amtsvorsteher in Hennigsdorf wird bestätigt, dass die Kosten 3 430 000 Reichsmark betragen. Die Aufträge zur Errichtung der Gebäude 13 und 29, Lagerhaus für gekörntes und gesiebtes Ammoniumpulver, gingen im März 1917 an die Firma Boswane & Knauer in Berlin Tegel. Für die Gebäude Nr. 9, 7, 23 und 25 erhielt die Firma August Conrad den Auftrag zur Errichtung. Die Gebäude Nr. 12 und 26 wurden nicht in Auftrag gegeben.
Die Nutzung der Gebäude war wie folgt vorgesehen.
- Gebäude Nr. 10 , Turmgebäude
- Gebäude Nr. 1, 3, 5, 17, 19, 21 für Kollergänge und Lager
- Gebäude Nr. 8 und 22 für 1000 t Hydraulikpressen.
- Gebäude 9. Und 29 als Maschinenraum für gekörntes Pulver.
- Gebäude 11. Und 27 als Lagerhaus für gekörntes Pulver und 4 Schiebezylinder
- Gebäude 13. Und 29 als Lagerhaus für gesiebtes Ammoniumpulver.
- Gebäude 14 und 28 als Presshaus für zehn 120 t Hydraulikpressen.
- Haus 33, links der Straße, Kleiderablage und Waschräume. Hier wird der Vermerk gemacht, dass mehr Raum für Frauen als für Männer vorzusehen ist.
- Haus 7 und 23 für 6 Körnermaschinen.
- Haus 2, 4, 6, 16, 18, und 20 waren Gebäude für Mühlen und Lager. Es waren Gebäude die zur Hälfte eine 2. Etage hatten.
- Haus 15 und 30 waren Gebäude für fertiges Pulver und mit einer Wallanlage umgeben.
- Haus 32 war Kesselhaus für Warnwasser Pumpen und Heizung. Dort war eine Esse vorhanden.
- Haus 23 wurde später als Toilettenhaus.
In den Bauzeichnungen der Bilder 2 bis 4 der Gebäude 1; 3; 5; 17; 19 und 21, die für Kollergänge und Lager dienen sollten, ist die Raumaufteilung zu erkennen.
Bild 2.
In der Hallenmitte sind Antriebsmotore installiert die darüber hinaus über Transmissionen die Koller rechts und links antreibt. Die Hallenwände sind 77 cm stark ausgelegt, um bei etwaigen Explosionen den Druck abzufangen. Die Dacheindeckung dagegen ist leicht gestaltet, damit der Explosionsdruck nicht in die waagerechte sondern nach oben entweichen kann.
Bild 3. Raumaufteilung.
Bild 4. Außenansichten
Aufgrund von Geheimhaltungsvorschriften ist nicht überliefert ob je eine nennenswerte Produktion stattfand und wenn ja, wie viel dort bis Kriegsende noch produziert wurde. Am 11. November 1918 waren die Kriegshandlungen beendet und mit dem Vertrag von Versailles waren solche Betrieb, wie auch die in der Nähe liegende Munitionsfüllanlage auf dem Burggelände, für die Kriegsproduktion still zu legen.
Für die verkehrstechnische Anbindung gab es unter dem Motto
„Kriegsangelegenheit“ bereits am 4. November 1916 den ersten Antrag für ein Anschlussgleis zur Ersatz Pulverfabrik für täglich 5 Bahnwagen. Die Übergänge sollten am Tag mit Handglocke und des nachts mit Laternen gesichert werden. Am 13. März 1917 wurde darüber hinaus ein Arbeitsgleis und ein Abstellgleis zur Erbauung des Elektrostahl- und Walzwerkes als werkseigene Nebenanlage genehmigt.