Dr. Helmut Kinnes Buch: Erinnerungen an den Volkswirtschaftsrat der DDR 1962-1964
Zu Dr. Helmut Kinnes Buch:
Erinnerungen an den Volkswirtschaftsrat der DDR 1962-1964
Dem Titel dieses Buches sieht man seine ihm innewohnende Brisanz nicht an.
Es informiert über die Lebensleistungen konkreter Personen in dem damals ökonomisch, schwachen, aufzubauenden, Staat, dem die BRD mit einer starken Siegermacht im Rücken, mehr als hemmend gegenüberstand und auch unsere Freunde und Förderer einiges an Notwendigkeiten nicht ermöglichten.
All jenes beschreibt Helmut Kinne an Hand seiner Lebenssituationen inmitten des Experiments DDR aus unterschiedlichen Ebenen, Sichtweisen und gewonnenen Erkenntnissen. Nach Berufsausbildung Studium und Promotion wurde der Schichtleiter aus dem Stahl-und Walzwerk Brandenburg in den Volkswirtschaftrat ohne Funktionsplan, -Orientierungshilfen, und seiner Meinung nach t mit einem noch unzureichenden ökonomischen Wissen in die Funktion eines Stellvertreter des Vors. des VW Rates für den Bereich Erzbergbau Metallurgie und Kali katapultiert.
„Dabei hilft Dir das Bewusstsein“, so Alfred Neumann, einst Vorsitzender des VW Rates und Mitglied des Politbüros der SED.
Das waren zwei Jahre des Suchens nach Wegen zur Lösung seiner Aufgaben, zwei Jahre des Sehens und Lernens, zwei Jahre der Tätigkeit im Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Realität und des fast statisch festgeschriebenes Bewusstseins, sowie zwei Jahre des Kennenlernen von Menschen mit ihren Stärken, Schwächen aber auch ihren Ängsten zwischen Erfolg von Misserfolg.
Dr. Kinne betrachtet die Volkswirtschaft der DDR aus ihren“ inneren“ und äußeren Zwängen, in ihren Bedürfnissen und Notwendigkeiten, zwischen inneren Bedarf und den Erfordernissen des internationalen Marktes.
Am Beispiel des weiteren Ausbaus des EKO und der Embargoverfügung lässt Dr. Kinne das uns nicht gesonnene Handeln der damaligen BRD miterleben.
Wegen eines anderen, scheinbar besserem Seins oder auf Grund überbetonter Wertungen von Haltungseinstellungen verließen viele ausgebildete Fachkräfte, darunter viele Ingenieure und Ärzte, die DDR. Die ökonomisch notwendigen aber auf Dauer unpopulären Grenzsicherungsmaßnahmen und die mit ihnen verbundenen menschlichen Tragödien zeigten im Nachherein unterschiedliche Wirkungen. Die damit einsetzende wirtschaftliche Entwicklung widerspiegelte sich aller Orts in den sozialen und kulturellen Lebensbereichen.
Der Meinungsstreit in der SED war fast schon verebbt, als Helmut Kinne seine Tätigkeit im VW Rat aufnahm. Schon im Vorwort hat er sich mit den dialektischen Grundgesetzen auseinandergesetzt. Die Theorie stimmte. Das wagte sich Niemand, das in Zweifel zu ziehen. In der Praxis verhielt es sich anders. Widersprüche zu Beschlüssen galten u.a. als Fraktionsmacherei und führten auch zu übermäßigen „Disziplinierungen“ von nicht wenigen Partei-und Wirtschaftsfunktionären. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf Ehrlichkeit und Offenheit. Hier hinterließen das System, der Lüge und des Terrors des Nationalismus im Denken und Handeln einige Spuren.
Helmut Kinne, zeigt sich bei der Darstellung von Persönlichkeiten stets loyal, ohne eigene Schwächen und Fehler auszulassen.
Im Kontext seines Buches kristallisieren sich auch die Probleme in der Führung der DDR heraus, die sich in allen Strukturen und Leitungsebenen widerspiegelten
Die unzureichende Nutzung psychologischer Erkenntnisse und anonymen Befragungen bei der Gestaltung und Entwicklung sozialistischen Gesellschaft.
Der missbrauchte demokratische Zentralismus und die Tatsache, dass es an sich kein VE sondern die VEB Staatseigentum waren, ließen jene Wahrheiten nicht zu.
Später wurde es schutzlos verramscht, weil die „Eigentümer“ im Gegensatz zu den Genossenschaften keine handbaren Nachweise und vor allem kein Zugriff über ihr Eigentum besaßen.
Die Durchsetzung der von Walter Ulbricht initiierten Neue Ökonomische Politik der Planung und Leitung der Volkswirtschaft, in der auch Überlegungen Ota Siks tendiert wurden, wurde organisiert Zug um Zug unterlaufen. Die NOP in Sowjetrussland dagegen war unter anderen Bedingungen kein Misserfolg. In der DDR bestimmten andere Prioritäten ihr Ende.
Helmut Kinnes weitere Tätigkeit war nach seiner Abberufung nicht nur von Enttäuschungen begleitet. Vielmehr suchte er die Ursache seines Scheiterns bei sich, was objektiv nur zum Teil zutraf. Ihm fehlten die später organisierten, stufenweisen Bewährungssituationen, um mit dem Umfang der ihm auferlegten Aufgaben fertig zu werden.
Die Tätigkeit im EKO brachte ihm Erfolg, Zuversicht und Anerkennung.
Als Direktor der Ingenieururschule für Walzwerktechnik in Riesa setzte er auf Grund seiner verinnerlichten Erfahrungen neue Maßstäbe. Hier blieb er als Förderer und Fordernder streng, aber niemals ungerecht in Erinnerung.
All seine Veröffentlichungen wie Biografien zeichnen sich durch eine hohe Sachkenntnis und Konkretheit aus Sein umfangreiches Buch über die „Ostdeutsche Stahlindustrie“ ist zu einem Standardwerk des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute erklärt worden.
Helmut Kinne ist für mich der Chronist der DDR-Metallurgie und zudem ein streitbarer, und dialogfähiger Kenner der Volkswirtschaft der DDR, der sich auch nicht scheute im Verein Deutscher Eisenhüttenleute ein paar Wahrheiten über die DDR Wirtschaft zu sagen.
Dieses Buch ist sowohl Sach- und Geschichtsbuch aber auch ein erkenntnisreicherer, subjektiver Lebensbericht, der die Objektivität von Problemen in der DDR zum Inhalt hat.
Das Wertvollste sind die handelnden Persönlichkeiten die dem Buch eine nachvollziehbare Lebendigkeit in ihren einzelnen, besonderen und allgemeinen Handlungsebenen vermitteln. Die Einbettung seiner familiären Bindungen geben dem Leser Auskunft seiner sozialen Bindungen, die sein Denken und Handeln mit beeinflussten Abgesehen von kleinen Wiederholungen, die dem Inhalt nicht abträglich sind, kann ich dieses Buch, das Dr. Helmut Kinne mit 85 Jahren in Druck gab, mit sehr gutem Gewissen empfehlen.
Es ist, bedauerlich, dass eine höhere Auflage dieses Buches finanziell nicht möglich war. Deshalb habe ich mich entschlossen über dieses Buch, zu berichten
Nachseinem 3 fachen Salto entwickelte sich Helmut Kinne zum wissenden Überflieger, als Beobachter und engagierter Bewahrer jener ereignisreichen Jahre.
Als Mitglied des Hennigsdorfer Geschichtsvereins e.V. erfüllt es nicht nur mich mit Stolz, ihn an unserer Seite zu wissen. Dazu wünsche ich ihm Gesundheit und Lebensfreude.
Rudolf Kühn
Hennigsdorf, den 27.01.2020
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